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Ausflug ins Emsland

Der traditionsreiche dreitägige Wochenendausflug von Mitgliedern der LiTG-Bezirksgruppe Hannover fand auch im Jahr 2016, diesmal vom 29. bis 31. Juli statt. An der 14. Exkursion nahmen 29 Personen teil. Das verabredete Ziel war das Emsland, wofür Inge und Helmut Range wieder ein interessantes und abwechslungsreiches Programm ausgearbeitet hatten.

Wie immer trafen sich die Teilnehmer am Freitagmorgen auf dem Siemens-Parkplatz in Laatzen bei Hannover, um sich mit einem Glas Prosecco, gestiftet von Frau und Herrn Düsterhöft, auf die Fahrt einzustimmen. Bis nach Oldenburg fuhren wir auf der Autobahn, um dann bis kurz vor Papenburg entlang dem Küstenkanal, der reizvollen »Grünen Küstenstraße« zu folgen. An einem Parkplatz am Kanal wurden – wie üblich – die Lemgoer Strohsemmeln zur Stärkung vertilgt. Mit dem Kaffee vom Bus konnten wir das bei schönem Sonnenscheingenießen.

Unser erstes Ziel war die 1795 gegründete, unter dem Namen Meyer Papenburg bekannte, familiengeführte Werft, die wohl erfolgreichste Kreuzfahrtschiffswerft unseres Planeten. Hier werden in gewaltigen Hallen riesige Kreuzfahrtschiffe vom Feinsten gebaut. Gut zwei Stunden dauerte die Führung durch diese imposante Werft. Wir kamen dabei aus dem Staunen nicht mehr heraus. Besonders eindrucksvoll war die Schilderung der Kreuzfahrtschiffe der »Quantum-Klasse« für die amerikanische »Royal Caribbean Cruises Ltd.«. Im Frühjahr 2016 konnte das dritte Schiff dieser Klasse, der gigantische Ozeanriese »Ovation of the Sea« das Hallen-Baudock der Werft verlassen. Die kurze Bauzeit – Kiellegung im März 2015, Übergabe im Frühjahr 2016 – überrascht jeden, wenn man die Dimensionen dieses Schiffes berücksichtigt: Vermessung: 168.600 BRZ; Länge über alles: 348 m; Breite auf Spanten: 41,4m (Breiter geht nicht, da die Papenburger Schleuse nicht mehr zu lässt!); Anzahl der Decks: 18; max. Geschwindigkeit: 22 kn, Anzahl der Passagierkabinen: 2.090; max. Anzahl der Passagiere: 4.180.

Für uns natürlich sehr interessant waren die Angaben zur Beleuchtung:

  • 45.000 Leuchten
  • 12 km LED-Streifen
  • 240 KW für Effektlicht und Disco-Leuchten
  • 230 m² Videowände
  • 71 m² Außenvideo im Poolbereich
  • 4.500 km Leitungen/ Kabe.

Leider konnten wir von diesem Schiff nur Modelle und Abbildungen sehen, aber sehen konnten wir das fast fertige, mit 150.000 BRZ für 3.350 Passagiere etwas kleinere Kreuzfahrtschiff »Genting Dream«, das im Herbst 2016 an die Reederei Dream Cruises für den asiatischen Markt ausgeliefert wurde: Vermessung 151.300 BRZ; Länge über alles: 335,35 m; Breite auf Spanten: 39,7 m; Anzahl der Decks: 20; Geschwindigkeit: 23,4 kn; Anzahl der Kabinen: 1.674

Es gäbe noch viel mehr über diese Schiffe zuberichten, aber das würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Es sei nur noch gesagt, dass die Bauzeit dieser Schiffe überraschend kurz ist, dass für die Überführung dieser Schiffsriesen in die Nordsee das Emssperrwerk – siehe weiter unten – gebaut wurde und für jede Überführung ein Teil einer Emsbrücke abgebaut werden muss.

Nach dieser beeindruckenden Führung fuhren wir zu einem Bauerhofcafé, um uns bei Kuchen und Ostfriesen-Tee zu erholen. Hier konnten wir auch einen Kuhstall besichtigen, in dem die Milchkühe völlig selbstständig zu den Roboter-Melkständen kommen, um sich dort automatisch abmelken zu lassen. So etwas hatte von uns noch niemand gesehen.

Unser nächstes Ziel war die Stadt Leer, das »Tor Ostfrieslands«. Der Ausgangspunkt für die einstündige Stadtführung war der Museums-Hafen dieser malerischen Kleinstadt, an dem Rathaus und Waage als Wahrzeichen der Stadt liegen. Der Spaziergang durch die romantische Altstadt mit ihren schönen Bürgerhäusern war beeindruckend. Besonders fiel das Haus Samson auf, ein prächtiger im niederländischen Barockstil errichteter Backsteinbau. Erbaut wurde es 1570 und 1643 mit der heutigen wunderschönen Fassade versehen – stilecht für die seit 1800 hier bestehende Weinhandlung. Sehenswert ist auch der Festsaal des »alten« Rathauses mit einer wunderschönen Holz-Gewölbedecke, die reich bemalt ist. Dieses Gebäude repräsentiert den ehemaligen Reichtum dieser Hafenstadt. Eigentlich sollte man auf den Straßen der Altstadt den Duft des ostfriesischen Tees riechen, aber dies ist wohl nur ein Werbeaussage. Bünting, eine der ganz großen deutschen Teemarke ist hier in Leer beheimatet.

Von Leer nach Emden in unser Standquartier »Upstaalsboom« war es dann nicht mehr weit. Hier genossen wir auch unser obligatorisches, abendliches Viergängemenü und wunderten uns immer noch über die Ozeanriesen der Meyer-Werft.

Am nächsten Morgen fuhren wir erstmal zu dem tiefstgelegenen Punkt Deutschlands – wie es bis 1983 hieß - im ehemaligen Freepsumer Meer nordwestlich von Emden in der Fehenlandschaft Krummhörn. Hier befanden wir uns 2,5 m unter NN. Dieses ehemalige Binnenmeer wurde nach vielen Versuchen 1769 mit Hilfe von Wasserschöpfmühlen trocken gelegt. Bei schönstem Sonnenscheingenossen wir die kurze Wanderung durch die Marschlandschaft. Heute (offiziell seit 1988) gilt eine Stelle in der Gemeinde Neuendorf-Sachsenbande in der Wilstermarsch in Schleswig-Holstein mit ?3,54 m als tiefer liegend.

Unser nächstes Ziel war dann die Seehundstation Nationalpark-Haus in Norddeich. Das norddeutsche Wattenmeer, ein UNESCO-Weltnaturerbe, ist nicht nur Tankstelle für Millionen Zugvögel, Heimat vieler Brutvögel und das Winterquartier zahlreicher Vogelarten, sondern auch der Lebensraum von Seehunden und Kegelrobben. Sie bringen hier ihre Jungen zur Welt. Junge Seehunde, die sogenannten Heuler, die irgendwie vom Muttertier getrennt und oft weitab vom Wurfplatz angetrieben werden, finden in dieser Seehundstation vorübergehend ein neues Zuhause. Sie werden von Profis und freiwilligen Helfern aufgezogen und dann wieder »ausgewildert«! In zwei Stunden konnten wir viel über diese Tiere und die Arbeit mit ihnen erfahren! Zuerst brachte uns eine Biologin das Leben und das Verhalten dieser Tierart näher, danach konnten wir diese Einrichtung erkunden und dann die Fütterung der Heuler beobachten.

Nach unsrem Mittagessen mit viel Fisch in Greetsiel folgte eine anderthalbstündige Ortsführung durch dieses wohl schönste Fischerdorf in Ostfriesland. Hier wurden wir eingefangen vom zauberhaften Anblick eines Puppenstubendorfes mit historischen Giebelhäusern aus dem 17. Jahrhundert (Ein Straßenverkehrsschild weckte unsere Aufmerksamkeit: Baudenkmäler in der Mühlenstraße – Erschütterungen vermeiden – Bitte langsam fahren). An vielen der alten Häuser kann man sehr schöne Haustüren bewundern. In dem über 600 Jahre alten Fischerhafen liegt eine beeindruckende Krabbenkutterflotte – leider ist die Krabben-Population z.Zt. ziemlich gering und somit Krabben sehr teuer. Natürlich wurde auch die hübsche kleine Backsteinkirche besichtigt und die Zwillings-Windmühlen am Ortsrand von Greetsiel bewundert.

Hinter dem Deich geht die Welt aber noch weiter und wir fuhren nach Groothusen, um die Häuptlingsburg »Osterburg«, eines der ältesten Baudenkmäler Ostfrieslands zu bestaunen. Zuerst stimmten wir uns bei einer ostfriesischen Tee-Tide mit selbstgebackenen Kuchen auf die Führung ein. Ein Mitglied dieser ehemaligen Häuptlingsfamilie führte uns durch den 1490 als Familiensitz erbauten Profanbau, der einen intimen Einblick in die Wohnkultur ostfriesischer Häuptlingsfamilien bietet. Die über 500 Jahre andauernde Familiengeschichte des bäuerlichen Landadels wurde uns in den Räumen mit ihrer historischen Aura authentisch vermittelt. Als einer von uns die uns führende junge Dame vom Durchblättern einer uralten Bibel abhalten wollte, meinte sie nur, »aber das ist doch meine Bibel«!!!!

Nach diesem sehr schönen und auch etwas anstrengenden Tag in Ostfriesland ging es wieder zurück nach Emden. Auf dem Museums-Feuerschiff »Deutsche Bucht«, gebaut 1915 auf der Meyer-Werft in Papenburg, wurde in einem fast familiären Rahmen zu Abend gegessen, viele labten sich am Labskaus, dem typischen Seemannsessen. Es wurde ein zünftiger und fröhlicher Abend. Ein kleiner Höhepunkt war dann noch die späte Führung durch das Schiff, geleitet und erläutert von einem ehemaligen Kapitän. Von besonderem Interesse waren natürlich das Leuchtfeuer und dessen Energieversorgung. Es wurde ein langer Abend.

Am Sonntagmorgen erkundeten wir dann die Seehafenstadt Emden von der Wasserseite aus. Fast zwei Stunden fuhren wir mit der MB »Schreyershoek« durch einen kleinen Teil der 40 km langen Stadt-Grachten. Die Fahrt durch das »Venedig des Nordens«, entlang den Uferstraßen und Parkanlagen war sehr reizvoll, die Höhepunkte waren das Ratsdelft, das Falderndelft und die Kesselschleuse – Europas einzige Vier-Kammer-Schleuse. Die gefühlte Länge dieser Grachtenfahrt betrug an die 10 km, real war es aber nur die Hälfte.

Nach einem zünftigen Mittagessen im Café Kuhstall in Petkum fuhren wir zu Emssperrwerk bei Gandersum, einem wasserwirtschaftlichen Großbauwerk des Küstenschutzes, das in den Jahren 1998 – 2002 errichtet wurde. Der Grund für den Bau war, das Binnenland vor Hochwasser – im Besonderen vor Sturm- oder Springfluten – zu schützen. Der Abstand zwischen den Hauptdeichen beidseitig der Ems beträgt 1.040 m, durch Anschlussdeiche konnte die Gesamtlänge des Bauwerks mit sieben Durchflussöffnungen auf 476 m begrenzt werden. Einerseits ist es ein Sturmflutsperrwerk, andererseits dient es dem Stau des Oberwassers der Ems, um den Kreuzfahrtschiffen, den Ozeanriesen der Meyer Werft in Papenburg, einen verlässlichen Weg zur Nordsee bereitzustellen. Dazu wird das Sperrwerk nach dem Ende einer Flut geschlossen und das Wasser »gespeichert«. Nach der bedarfsgerechten Öffnung des Sperrwerkes können dann Schiffe bis zu einem Tiefgang von 8,5 Meter auf der Flutwelle die Ems passieren. Die Hauptschifffahrtsöffnung hat eine Breite von 60 m und hat keine Höhenbegrenzung, sie lässt sich in 30 Minuten öffnen bzw. schließen. Durch die kleinere Binnenschifffahrtsöffnung mit einer Breite von 50 m können nur Schiffe fahren, die eine vom Wasserstand abhängige Höhe von 5,25 Meter über Mitteltidehochwasser nicht überschreiten. Die Führung durch diese Anlage war ein technischer Hochgenuss. Nach dieser High-Tech-Anlage gab es zum Abschluss unserer »Kulturreise« durch Friesland noch ein kleines, aber besuchenswertes Schloss ganz in der Nähe von Leer zu besichtigen.

Dieses Schloss Evenburg besticht durch seine schlichte Eleganz. 1642 im niederländisch barocken Stil erbaut, wurde es in der Mitte des 19. Jahrhunderts neugotisch umgebaut und ist nun das einzige neugotische Schloss in Norddeutschland. Bei einer sehr anspruchsvollen Führung konnten wir durch die – nach einer aufwändigen Sanierung wieder im alten Glanz erstrahlenden Räume und durch das beeindruckende Treppenhaus »lustwandeln«. Leider hatten wir keine Zeit mehr, um den englischen Landschaftsgarten entsprechend zu würdigen, denn wir wollten noch einmal ostfriesischen Tee trinken und etwas Kuchen essenund das in einem Nebengebäude dieses Schlosses.

Danach machten wir uns auf den Rückweg vorbei an Oldenburg und Bremen. Kurz vor Hannover wurde noch eine kurze Pause eingelegt, um Würstchen zu essen und mit einem letzten Glas Sekt Abschied von dem Emsland-Ausflug zu nehmen.

Eine wiederum schöne erlebnisreiche, harmonische Reise in den Nordwesten von Niedersachsen war zu Ende. Die nächste Fahrt wird uns vom 28. bis 30. Juli 2017 an die Weser zwischen Fulda/ Werra und Höxter führen – so wurde es beschlossen.

Text: Helmut D. Range